Arbeit 4.0 erfordert ein starkes Arbeitszeitgesetz

Gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen für eine mögliche Ampelkoalition auf Bundesebene hatten die neu gewählten südwestfälischen Bundestagsabgeordneten ein Schreiben vom regionalen DGB in ihrem Briefkasten.

 

Die Vorsitzenden der drei südwestfälischen DGB-Kreisverbände André Arenz (Olpe), Dietmar Schwalm (HSK) und Ingo Degenhardt (Siegen-Wittgenstein) hatten sich mit den Ergebnissen der Sondierungen zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP auseinandergesetzt. In einem gemeinsamen Schreiben an Dirk Wiese (SPD), Luiza Licina-Bode (SPD), Nezahat Baradari (SPD), Laura Kraft (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Johannes Vogel (FDP) und Carl-Julius Cronenberg (FDP) haben sie als Interessenvertreter der Beschäftigten in Südwestfalen auf die Regelungen zur Arbeitszeit aufmerksam gemacht.

 

In dem Sondierungspapier ist unter anderem davon die Rede, die bestehenden Regelungen zur Arbeitszeit weiter flexibilisieren zu wollen.

 

Wörtlich heißt es: „Um auf die Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren und die Wünsche von Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Unternehmen nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung aufzugreifen, wollen wir Gewerkschaften und Arbeitgeber dabei unterstützen, flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen. Im Rahmen einer befristeten Regelung mit Evaluationsklausel werden wir es ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Außerdem wollen wir eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen dies vorsehen (Experimentierräume).“

 

Die drei Gewerkschaftsvertreter weisen in diesem Zusammenhang auf den Aspekt des Arbeitsschutzes hin. In ihrem Schreiben heißt es dazu: „Wir sind uns durchaus bewusst, dass ein Sondierungspapier kein fertiger Koalitionsvertrag ist, jedoch möchten wir bereits jetzt, kurz nach Beginn der Koalitionsverhandlungen, auf den Aspekt des Arbeitsschutzes im Zusammenhang mit der angedeuteten Flexibilisierung der Arbeitszeit hinweisen und Sie bitten dies bei den laufenden Beratungen mitzudenken. Unser Arbeitszeitgesetz und die europäische Arbeitszeitrichtlinie setzen wichtige und notwendige Rahmenbedingungen zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.“

 

Auch den Gewerkschaften ist bewusst, dass sich die Arbeitswelt weiter rasant schnell verändert. Klar ist auch, dass zu einem digitalen und vernetzten Arbeiten im 21. Jahrhundert flexible Arbeitszeiten gehören. Und diese werden auch schon in vielen Bereichen und Branchen praktiziert. Mobile Arbeit oder Projektarbeit erfordern Selbstorganisation und Eigenverantwortung. In ihrem gemeinsamen Schreiben äußern sich André Arenz, Dietmar Schwalm und Ingo Degenhardt wie folgt: „Die Wünsche nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung stellen sich jedoch für Beschäftigte anders dar als für Unternehmerinnen und Unternehmer. Aus Unternehmersicht sind Digitalisierung, Arbeit 4.0 oder künstliche Intelligenz entscheidende Elemente einer zukunftsfähigen Wirtschaft. Sie fordern maximale Flexibilität in den betrieblichen Abläufen und maximale Flexibilität in der Verfügbarkeit der Arbeitskräfte. Beschäftigte hingegen fordern mehr Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung, vor allem mit dem Ziel, Arbeit und Leben besser miteinander vereinbaren zu können. Familie, Kinderbetreuung oder Pflege nehmen im Leben der Erwerbstätigen einen stetig wachsenden Stellenwert ein und sie erfordern zur besseren Organisation und Planbarkeit verbindliche Regelungen zu Arbeitszeiten bei gleichzeitiger Flexibilität.“

 

Die von der Wirtschaft geforderte grenzenlose Flexibilisierung hat auch ihre Tücken. Wenn Arbeitsanforderungen unberechenbar werden und die ständige Erreichbarkeit die Norm ist, entfallen zugleich verbindliche Feierabendregelungen, es entfallen Pausen und nötige Ruhezeiten. Viele Beschäftigte sehen sich infolgedessen schon jetzt immer weniger in der Lage, berufliche Erfordernisse und private Aufgaben zu vereinbaren. Und es fehlt an der nötigen Erholung. Dieses wirkt sich negativ auf die eigene Gesundheit aus, ebenso wie auf eine verminderte Leistungsfähigkeit im Job und birgt erhöhte Unfallrisiken.

 

„Tägliche Höchstarbeitszeiten in Verbindung mit den notwendigen Ruhezeiten sind ein wirksamer Schutz vor Überlastung und Burnout – Arbeit 4.0 erfordert ein starkes Arbeitszeitgesetz. Eine wirksame Begrenzung der Arbeitszeit ist Arbeitsschutz“ so die Gewerkschafter.

 

Mit ihrem Schreiben wollen die DGB-Vertreter für das Thema unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Beschäftigten, die ja auch die Leistungsträger in den Unternehmen und in den Verwaltungen sind, sensibilisieren und richten den Appell an die heimischen Abgeordneten, die gewerkschaftlichen Argumente ihren Vertreterinnen und Vertretern in den Arbeitsgruppen der Koalitionsverhandlungen mit auf den Weg zu geben.

 

Quelle: Ingo Degenhardt – DGB-Region Südwestfalen

 

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