Living Museum und Wege zu Shalom

Brilon: In dem von Brilon Kultour initiierten Themenmonat anlässlich des Festjahres 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland wurden Gesichter und Geschichten lebendig. Ziel des Festjahres ist es, jüdisches Leben sichtbar und erlebbar zu machen und dem erstarkenden Antisemitismus etwas entgegenzusetzen. Gemeinsam mit vielen Briloner Institutionen und Vereinen wurde ein vielfältiges Programm gestaltet. Durch die Unterstützung des Kölner Vereins „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ konnten eine Auftaktlesung und ein Abschlusskonzert mit auswärtigen Künstlern organisiert werden. So zeigte der Düsseldorfer Autor Frank Schablewski sehr unterhaltsam, wie stark sprachlich das Jiddische und Deutsche miteinander verbunden sind. Begriffe und Redewendungen werden im Alltag verwendet, ohne sich über die Entstehung bewusst zu sein. Einige solcher Begriffe prägten das gesamte Stadtbild mit der Plakataktion von der Stadtbibliothek und der Servicestelle Antidiskriminierung sowie der Sprayaktion der Young Caritas. Worte wie Schlamassel (Pech, Missgeschick, Gegenteil zu Massel, gleichbedeutend mit Glück) können relativ bedenkenlos verwendet werden, da sie in der Regel in ihrer Bedeutung nicht umgedeutet werden.

 

„Ruth ist uns richtig ans Herz gewachsen. Und als wir den Fingerabdruck vor Augen hatten, ist uns die Geschichte emotional ganz schön nahe gegangen“, so Manuela Buchau aus dem Briloner Stadtarchiv. Zusammen mit Christina Wegener hat sie sich auf die Lebensspuren jüdischer Briloner und Brilonerinnen begeben und 19 Menschen jüdischen Glaubens für die Ausstellung „Briloner Gesichter“ ausgewählt. Einige davon stellten Schüler der Heinrich-Lübke-Schule als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zusammen mit ihrem Lehrer Fokko Bromisch im Rahmen des „Living Museum“ persönlich auf dem Briloner Marktplatz allen Interessierten vor (s. Foto). Zuvor hatten sie sich mit Christina Wegener die Lebensgeschichten näher angeschaut.

 

Das Stadtarchiv und Brilon Kultour zeigten mit den Ausstellungen an der Fassade des Bürgerzentrums Kolpinghaus und im Rathausfoyer die ausgewählten 19 Gesichter jüdischer Bürger und Bürgerinnen in Brilon zusammen mit ihren Biografien. Das Stadtmuseum Haus Hövener stellte „Jüdisches Leben in Brilon und den Ortschaften ab 1800“ vor. Diese Ausstellung ist demnächst digitalisiert weiterhin im Museum zu betrachten. Das Jugendparlament veranstaltete am 9. November zusammen mit der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde eine eindrucksvolle Gedenkfeier anlässlich der Reichspogromnacht vor 83 Jahren am Platz der ehemaligen Synagoge.

 

Im Rahmen „Junges Theater“ schilderte das Theater Artisanen sehr bewegend die Geschichte von Anne Frank und ihrer Familie basierend auf den Tagebucheinträgen des jüdischen Mädchens. Schüler und Schülerinnen aus Brilon und Warstein verfolgten gebannt das Puppenspiel auf Einladung von Brilon Kultour unterstützt vom Kultursekretariat Gütersloh.

 

Die Evangelische Stadtkirche bot den Rahmen für zwei Konzerte. Der Männerchor 1868 Brilon gestaltete ein Konzert „gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ und setzte mit ihren Lied- und Wortbeiträgen zusammen mit verschiedenen Gästen ein deutliches Zeichen für Solidarität und Weltoffenheit.

 

Beim klangvollen Abschlusskonzert versetzten Semjon Kalinowsky (Bratsche) und Prof. Torsten Laux (Orgel) alle Zuhörenden in eine wunderbare Klangwelt in der stimmungsvoll illuminierten Evangelischen Stadtkirche. Angelehnt an die reichen Traditionen der christlichen Orgelmusik und der jüdischen Liturgie vereinte dieses Programm in einem einzigartigen Konzept beliebte Repertoire-Klassiker wie „Prayer“ von Ernest mit in Vergessenheit geratenen Werken von Joseph Sulzer und Joachim Stutschewsky.

 

Dr. Frauke Brauer dankte im Namen von Brilon Kultour allen Beteiligten für die gute Zusammenarbeit, dem vielfältigen Programm und dem äußerst gelungenen Themenmonat Mentsh! 2021.

 

Bild: Christina Wegener (Stadtarchiv Brilon) mit Fokko Bromisch und Schülern der Heinrich-Lübke-Schule mit Bildern des „Living Museum“

 

Fotocredits: Brilon Kultour

Quelle: Thomas Mester – BWT ∙ Brilon Wirtschaft und  Tourismus  GmbH

Print Friendly, PDF & Email