Größtes EU-Umweltgesetz aller Zeiten

Hochsauerlandkreis: Es ist das größte Umweltgesetz, das die Europäische Union jemals verhandelt hat und wenn es nach ihm geht, wird es vor allem positive Auswirkungen auf unsere Region haben. Peter Liese ist nicht nur umweltpolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament, sondern auch federführender Berichterstatter für die Reform des europäischen Emissionshandels. Er spricht damit in den Verhandlungen mit Ministerrat und Kommission für das gesamte Parlament und ist federführend für die Ausverhandlung des Gesetzestextes verantwortlich.

 

„Es geht um den Klimaschutz und ich bin fest davon überzeugt, dass wir mehr als bisher tun müssen. Die Katastrophe in unseren Wäldern und die Überschwemmungen im Juli zeigen, dass der Klimawandel schon bei uns angekommen ist. Wenn wir nicht energisch handeln, wird das Problem für unsere Kinder und Enkelkinder überhaupt nicht mehr beherrschbar. Natalie Gierse von Fridays for Future aus Siegen und Olpe erklärt dazu: „Die Frage ist, ob die diskutierten Reformen ausreichen, um das 1,5-Ziel zu erreichen und ob wir damit die Klimagerechtigkeit erreichen können. 1,5 ist dann möglich, wenn wir Netto-Null 2035 auf EU-Ebene erreichen. Das ist nur möglich, wenn das verbleibende CO2-Budget für die EU eins zu eins in Zertifikate umgerechnet wird. Das heißt, 2035 sind wir klimaneutral und können alle Emissionen, die wir emittieren auch kompensieren. Die aktuelle ETS-Reform erzielt Klimaneutralität für die EU im Jahre 2050: zu spät für das Erreichen des 1,5-Ziels. Wichtig ist, dass man das 1,5 Grad-Ziel als menschenrechtliche Frage bezeichnet, denn Klimafolgen sind kein spekulatives Zukunftsszenario, sondern die Klimakrise ist Gegenwart und betrifft schon jetzt sehr viele Gebiete. Aufgrund der sozialen Gerechtigkeit können wir kleinere Unternehmen, Privatleute und Haushalte nicht so sehr mit einer CO2-Steuer belasten wie die größten Verursacher der Klimakrise wie Großkonzerne und Banken, und wir fordern, dass die Erträge aus den Zertifikaten zu 100% in erneuerbare Energien, in die Mobilitätswende und den sozialen Ausgleich investiert werden.“

 

Der sogenannte Emissionshandel ist das Kernstück der europäischen Klimapolitik. Ziel ist es, die Emissionen durch marktwirtschaftliche Mittel möglichst kostengünstig zu senken. Dabei verdienen die Unternehmen und Privatleute, die wenig emittieren, weil sie zum Beispiel in moderne Technologien investiert haben. Für energieintensive Unternehmen wie Zement- und Stahlindustrie gilt dieser Emissionshandel europaweit seit 2005, für die Bereiche Wärme und Verkehr bisher nur in Deutschland. „Alle wesentlichen Parteien in Deutschland (CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP) unterstützen den Emissionshandel im sogenannten Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), das seit Anfang letzten Jahres gilt. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass das Ganze nur Sinn macht, wenn wir es europäisch angehen. Wenn wir europäisch gemeinsam handeln, wird die Reduktion jeder einzelnen Tonne CO2 kostengünstiger und unter einer rein nationalen Regelung leiden Unternehmen wie Gießereien, Speditionen und Gartenbaubetriebe, wenn sie in Deutschland durch den CO2-Preis belastet werden, aber die Wettbewerber in den europäischen Nachbarländern nicht“, so Liese. Deswegen ärgert es ihn fürchterlich, dass Grüne und SPD zwar in Deutschland einen immer höheren CO2-Preis fordern, ihn aber im Europäischen Parlament ablehnen. „Das Verhalten von SPD und Grünen macht überhaupt keinen Sinn. Klimaschutz muss europäisch gestaltet werden und nur wenn gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen, gewinnt derjenige, der die beste Idee zum Klimaschutz hat und nicht derjenige, der aufgrund politischer Maßnahmen einen niedrigeren CO2-Preis hat.

 

Ganz wichtig ist für Liese, dass das Geld direkt an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließt und nicht in anderen Bereichen des Haushaltes versackt. Einige Mitgliedsstaaten wie Polen setzen nur die Hälfte des Geldes für gezielte Maßnahmen ein. Das müsse sich dringend ändern.

 

Angesichts hoher Energiepreise hält Liese gezielte Maßnahmen für notwendig. „Der Kern des Problems ist unsere hohe Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Der Preis wird im Moment vor allem durch Gas in die Höhe getrieben. Kollegen, etwa aus den baltischen Staaten, die sich sehr gut in Russland auskennen, sagen, dass Russland den Preis im Moment bewusst in die Höhe treibt, um unsere Anstrengungen am sogenannten Grünen Deal zu torpedieren. Putin und die Oligarchen, die ihn unterstützen, leben von Gas und Öl und wenn wir weniger davon abhängig sind, ist deren Geschäftsmodell in Gefahr. Deshalb wollen sie keine Investitionen in Erneuerbare und Energieeffizienz. Das sollte aber ein Grund sein, warum wir es gerade noch intensiver tun müssen. Trotzdem müssen wir auf die hohen Energiepreise auch kurzfristig reagieren. Ich setze dabei auf die Senkung von Steuern und Abgaben, vor allem auf erneuerbare Energien. Nicht nur die EEG-Abgabe, sondern auch die Stromsteuer sollte so schnell wie möglich abgeschafft werden. Strom ist mittlerweile sehr viel sauberer geworden, auch durch den europäischen Emissionshandel, und hohe Strompreise belasten gerade einkommensschwache kinderreiche Familien und behindern den Übergang zur Klimaneutralität, weil sie zum Beispiel dazu führen, dass Wärmepumpen und Elektroautos weniger attraktiv sind. Durch eine drastische Senkung der Steuern und Abgaben auf Strom, insbesondere auf Erneuerbaren, können wir also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, so der umweltpolitische Sprecher und südwestfälische Abgeordnete.

 

Für die Unternehmen, die bereits jetzt im Emissionshandel eingeschlossen sind, bedeutet der Vorschlag der Kommission eine deutliche Steigerung der Ambitionen. Dies wird unter anderem am Beispiel der Zementindustrie deutlich. „Ein Drittel unserer CO2 Emissionen kommt aus dem Brennstoff und etwa zwei Drittel aus dem Produktionsprozess, der nicht minderbar ist. Die deutsche Industrie hat immer sehr große Anstrengungen unternommen, um die Brennstoffe optimal einzusetzen. In den letzten Jahren ist der biogene Anteil am Brennstoff in unseren Produktionsprozessen kontinuierlich gestiegen und wir versuchen, das auch weiterhin zu steigern. Die prozessbedingten CO2-Mengen lassen sich aber nicht mindern. Der einzige Weg CO2-frei zu werden ist durch Speicherung und Nutzung von CO2. Diese Technologien sind derzeit noch nicht für großtechnische Produktionen vorhanden. Es werden darin erhebliche Forschungsgelder investiert. Zement ist eigentlich ein lokales Gut, was im Wesentlichen im Umkreis von 200 Kilometern gehandelt wird, aber durch die Preissteigerungen bedingt durch den hohen CO2 Preis sehen wir den Anreiz für nicht EU-Länder, in die EU Zement zu exportieren. Die Umweltauflagen z.B. in der Türkei, in Saudi-Arabien sind sicherlich niedriger, als wir sie in der EU haben. Dazu kommen die Transporte, die sicherlich auch nicht umweltfreundlich sind. Es muss einen Grenzausgleich geben in der EU um unsere Schwerindustrie und Grundstoffindustrie eine Zeit lang zu schützen. Das ist ganz essentiell, um unsere Arbeitsplätze in diesem Bereich zu schützen und um nicht die Emissionen in andere Länder zu verlagern.“, so Mitglied der Geschäftsführung Wolfgang Matthias von Portlandzementwerk Wittekind in Erwitte.

 

Peter Liese hält eine gewisse Steigerung des Ambitionsniveaus für unvermeidbar, warnt jedoch vor überzogenen Auflagen. „Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament fordern, der Zementindustrie schon 2025 jeden Schutz gegenüber Importen aus Drittstaaten zu entziehen. Das halte ich für unverantwortlich. Es mach keinen Sinn, wenn der Zement demnächst aus der Ukraine oder der Türkei kommt und bei uns Arbeitsplätze verloren gehen. Die Zementindustrie macht sich jetzt auf den Weg zur Klimaneutralität und wir sollten sie auf diesem Weg nicht kaputt machen“, so Liese. Insgesamt betonte Liese aber nicht nur die Notwendigkeit des Klimaschutzes für die Zukunft unserer Region, sondern auch die Chancen für neue zukunftsfähige Arbeitsplätze. Viele Unternehmen bieten Lösungen für klimafreundliche Technologien an und diese Technologien werden bei der Umsetzung des europäischen Emissionshandels und der anderen Pläne der Europäischen Union stärker nachgefragt werden.

 

Boris Langerbein, Geschäftsführer des Energiespeicherlösungsanbieter INTILION HUB GmbH aus Paderborn, betonte, dass die Energiewende nur funktioniert, wenn man sie als ganzheitliche Transformation des Energiesystems sieht. Also nicht nur den Strom betrachten, sondern auch Wärme, Verkehr und die Prozessenergie der Industrie. „Die Technologie der Energiespeicher müssen einen wichtigeren Stellenwert bekommen, damit wir die Technologien, die heute schon verfügbar sind, einsetzen können, um die Energie- und Mobilitätswende zu beschleunigen.

 

Die Energie, wie vor allem die grüne Energie aus erneuerbaren Quellen, aber auch Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur und Wasserstoff sind so zu harmonisieren, dass Industrieunternehmen wirtschaftlich in Deutschland und Europa arbeiten können. Bei der Harmonisierung spielen gerade die dynamischen Energiespeicher wie Akkumulatoren eine wichtige Rolle. Diese müssen deshalb politisch und regulatorisch entfesselt werden, damit sich ihre Potentiale betriebs- wie volkswirtschaftlich entfalten können.“

 

Dr. Andreas Gahl, Geschäftsführer MPG Mendener Präzisionsrohr GmbH, bekräftigte, dass es keine Alternative zum Klimaschutz gibt, und die Firma bis spätestens 2030 klimaneutral sein wird. „Wir haben inzwischen für alle unsere Erdgasanwendungen Lösungen, wie wir sie elektrifizieren können. Wir werden die Emissionen weiter drastisch reduzieren durch Energieeinsparmaßnahmen, die Eigenerzeugung grüner Energie und den Aufbau geschlossener Stoffkreisläufe. Alle Unternehmen sollten dem Thema Klimaschutz jetzt die höchste Priorität einräumen. Nur gemeinsam können wir den Klimawandel eindämmen.

 

Rene Schröder, Geschäftsführer von EUROBAT, dem Verband der europäischen Hersteller von Auto- und Industriebatterien, erklärte: „Batterien leisten einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung und dem Klimaschutz. Daneben werden mit der neuen Batterieverordnung Anstrengungen unternommen, die Nachhaltigkeit von Batterien weiter zu steigern. Das trägt zur Durchsetzung von einheitlichen Wettbewerbsvoraussetzungen bei. Batterien sind ein Wachstumsmarkt und bieten Chancen für Firmen in Europa und Deutschland.“

 

Quelle: Dr. Peter Liese MdEP

 

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