Psychokrieg aus der Luft – Kommentar von Michael Backfisch
Der Ukraine-Krieg gewinnt eine neue Dynamik. An den Frontlinien gibt es kaum Bewegung. Die monatelangen Kämpfe rund um die ostukrainische Stadt Bachmut sind abgeflaut. Neu sind die massiven Drohnenangriffe auf Kiew, die seit Mitte Mai trommelfeuerartig zugenommen haben. Am Dienstag gab es auch Drohnenattacken auf Moskau. Es handelt sich offenbar um einen Drohnenkrieg, dessen Hintergründe zum Teil im Dunkeln liegen.
Dieser Krieg wird nicht nur auf dem Schlachtfeld ausgetragen. Die Verbreitung von Verunsicherung gehört in den Instrumentenkasten der psychologischen Kriegsführung. Die Ukrainer haben ein Interesse daran, in der Bevölkerung und in der Elite Russlands Zweifel an Putin und am System Putin zu säen.
Die russische Militärführung ist bereits durch vielfältige Kritik angeknackst, nicht zuletzt durch die verbalen Rundumschläge des Chefs der Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin. Hinzu kommt, dass in der russischen Gesellschaft durchaus Anspannung zu spüren ist. Man weiß nicht, wann die Gegenoffensive der Ukrainer kommt und wo sie ansetzt. Die Drohnenangriffe auf Moskau wären vor diesem Hintergrund eine Art Psychowaffe.
Klarer liegen die Motive bei den russischen Drohnenattacken auf die Ukraine. Russland will die Ukrainer zermürben, ihren Widerstandswillen brechen, bevor die eigentliche Frühjahrsoffensive startet.
Die Drohnenattacken sind auch Teil der Vernichtungsstrategie, die Putin mit langem Atem verfolgt. Irgendwann – so Putins Kalkül – werden die Gesellschaften zwischen Washington und Berlin kriegsmüde. Der Ruf nach Verhandlungen um jeden Preis dürfte dann immer lauter werden. Der Drohnenkrieg ist auch ein Psychokrieg.
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Quelle: BERLINER MORGENPOST, Redaktion
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