Kommentar von „nd.DerTag“ zu den Wahlen in der Ostukraine
Die Nachricht klingt absurd, erstaunt aber kaum noch angesichts dieses an tragischen Absurditäten so reichen Krieges: Die russische Führung will im September in den besetzten ostukrainischen Gebieten Wahlen abhalten. Kommunalparlamente in den vier Regionen sollen bestimmt werden, die von russischen Truppen okkupiert wurden.
Schon im September 2022 waren die Bewohner dieser Regionen an die Wahlurnen gerufen worden – sie sollten über den völkerrechtswidrigen Anschluss an Russland abstimmen und damit den Einmarsch legitimieren. Weder damals noch heute hatte oder hat Russland diese Regionen vollständig erobert, die es sich per Proklamation schon mal einverleibt hat. Und auch beim nächsten Wahltag im September dürfte das nicht der Fall sein. Zumal reguläre Wahlen nach all den Zerstörungen, nach massenhafter Flucht, angesichts immer heftiger werdender Kämpfe eine Illusion sind. Sie sind eine Propagandaveranstaltung, ihre Ergebnisse können sich je nach Kriegslage jederzeit als Makulatur erweisen.
Wahlen im Donbass waren einst Bestandteil des Minsker Abkommens, mit dem der Konflikt befriedet werden sollte.
Waffenstillstand, Abzug schwerer Waffen, Autonomiestatus für die Ostukraine und eben Wahlen nach ukrainischem Recht – das hätte ein Lösungsweg sein können. Der wurde verbaut, weil weder die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer noch die pro-russischen Separatisten und ihre russischen Unterstützer den Kompromiss wirklich wollten. Nun sollen die Menschen in der annektierten Ostukraine nicht nach Abzug schwerer Waffen wählen, sondern unter deren Dauerfeuer. Jeder weiß, dass daraus keine Grundlage für eine stabile, funktionsfähige Demokratie oder für eine Friedensordnung werden kann.
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Quelle: nd.DerTag / nd.DieWoche, Redaktion
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