Arzneimittellieferengpässe: Neues Gesetz nutzt Chancen nicht
Zum Abschluss der Beratungen des Bundesgesundheitsausschusses zum ALBVVG kommentiert der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) Dr. Kai Joachimsen: „Wir haben es mit der Ökonomisierung übertrieben. Die Krankenkassen haben die Preisspirale überdreht und dafür gesorgt, dass immer nur die allerbilligsten Herstellerberücksichtigt wurden.“ Diese wichtige Erkenntnis Karl Lauterbachs ging dem Gesetzgebungsprozess beim ALBVVG voraus. „Wir brauchen eine gesunde Preispolitik für alle Arzneimittel der Grundversorgung. Doch der Bundestag wird ein Gesetz gegen Lieferengpässe beschließen, das eigentlich ein Gesetzchen gegen Einzellieferengpässe ist und den Herstellern weitere bürokratische und finanzielle Belastungen wie sanktionsbewehrte Lager- und Meldepflichten auferlegt, die keinen einzigen Lieferengpass verhindern!“
„Denn wenn die betreffenden Arzneimittel, Wirkstoffe sowie Vorprodukte – häufig aus Fern-Ost als einziger Produzent – nicht lieferbar sind, kann man auch nichts einlagern. Und für den Fall, dass Ware verfügbar ist, muss sie in akuten Engpass-Situationen sofort Patientinnen und Patienten in der Versorgung erreichen. Zudem stehen kurze Haltbarkeiten einer Bevorratung entgegen.Auch eine Mehrproduktion ist oftmals nicht ohne weiteres möglich. Neue Produktionsanlagen lassen sich nicht adhoc aufbauen und bestehende nicht immer umrüsten. All das war in der Fachwelt schon lange bekannt, aber Bevorratung klingt erst einmal politisch gut.“
„Erweiterte Meldepflichten suggerieren fälschlicherweise den Eindruck, dass Lieferengpässe administrativ zu beheben wären. Doch ein schärferes Frühwarnsystem ist meist gar nicht umsetzbar und löst keinen einzigen Engpass. Zudem gibt es heute schon umfangreiche, teils überbordende Meldepflichten. Der BfArM-Beirat befasst sich bereits im Beisein von Vertretern der pharmazeutischen Industrie mit dem Lieferengpassmanagement. Vielmehr brauchen wir Rahmenbedingungen, die den Kostendruck auf Seiten pharmazeutischer Unternehmen senken und somit langfristig mehr Anbietervielfalt am Standort Europa fördern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass durch überbordende Pflichten künftig noch weniger Anbieter bereit sind, sich überhaupt noch an Ausschreibungen für Arzneimittel der Grundversorgung zu beteiligen. Denn noch mehr Pflichten bedeuten mehr Bürokratie und Kosten bei ohnehin knappen Ressourcen.“
„Wir haben daher immer wieder gefordert, dass man den immensen Preisdruck bei allen Arzneimitteln der Grundversorgung senken muss, insbesondere bei den versorgungskritischen. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, wie sich Rabattverträge in der Breite neugestalten lassen, um den Pharmastandort zu stärken, Anbietervielfalt zu schaffen und Produktion in Europa zu halten. Ein bisschen davon findet sich jetzt im Gesetz wieder, aber ein bisschen genügt bei weitem nicht. Bei fast allen Indikationen, zum Beispiel auch bei den Onkologika, bleibt alles so wie es ist, es gibt keine verpflichtende Mehrfachvergabe. Das alles sind keine nachhaltigen Lösungen, weder für die Patientinnen und Patienten noch für die Stärkung der Arzneimittelversorgung in unserem Lande. Wir haben es mit der Ökonomisierung übertrieben. Aber dann viel zu spät und viel zu zaghaft darauf reagiert! Das Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) reizt bei langem nicht das aus, was es an Chancen für eine bessere Versorgung hätte nutzen können. Weitere Maßnahmen werden schon bald notwendig sein, die jetzt hätten ergriffen werden müssen.“
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Quelle: Andreas Aumann (Pressesprecher) BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie
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