Staatsrechtler fordert unabhängige Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche -„Katholische Seilschaften“ zwischen Justiz und Kirche

Staatsrechtler fordert unabhängige Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche -„Katholische Seilschaften“ zwischen Justiz und Kirche

Nach der Veröffentlichung von Missbrauchsvorwürfen gegen den verstorbenen Essener Kardinal Franz Hengsbach verstärkt der Kölner Staatsrechtler Stephan Rixen die Forderung nach einer externen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche. „Völlig klar ist doch: Wenn man Institutionen – den Kirchen, den Sportverbänden – die Aufarbeitung allein überlässt, ist die Gefahr des Selbstschutzes enorm. Es darf am Ende nicht vom guten Willen einzelner Funktionäre abhängen, ob Aufarbeitung gelingt oder nicht“, sagte der Direktor des Instituts für Staatsrecht an der Universität zu Köln dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstag-Ausgabe). Der Fall Hengsbach zeige, wie notwendig Anstöße von außen seien, vor allem durch den Rechtsstaat. „Es kann nicht sein, dass die Fakten mehr als zehn Jahre vorliegen, aber kirchenintern weggeredet und weggeschlossen werden“, so Rixen weiter. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen habe über einen Rechtsrahmen zur Aufarbeitung und unabhängige Kommissionen wiederholt beraten, er sollte jetzt „endlich die nötigen Entscheidungen treffen“, forderte Rixen.

Mit Blick auf die Rolle der Justiz bei der Aufarbeitung sprach er von „katholischen Seilschaften“, die in der Vergangenheit zu einer „Kumpanei zwischen Kirche und Justiz zulasten der Opfer“ geführt hätten. Fünf Jahre nach dem Erscheinen der sogenannten MHG-Studie zu Ausmaß und Strukturen des sexuellen Missbrauchs und seiner Vertuschung in der Kirche nahm Rixen die interdisziplinäre Forschungsarbeit gegen Kritik auch aus den Reihen der Bischöfe in Schutz. „Ich bin überrascht, wer sich alles zum Experten für medizinische und sozialwissenschaftliche Forschung aufschwingt und meint, die Ergebnisse der MHG-Studie schlechtreden zu können.“ Die Kritik sei „weder von Sachkenntnis getrübt noch von Fairness“. Die Autoren der Studie hätten sich auf ein Verfahren eingelassen, von dem sie gewusst hätten, dass es Limits enthielt – etwa beim Zugriff auf die Quellen. „Aber sie haben das getan, was gute Wissenschaftler in so einer Situation tun: erstmal anfangen.“ Nach der Studie sei vieles in Bewegung gekommen, allerdings „wenig koordiniert und nicht immer zielgerichtet“, monierte Rixen. Er machte dafür die Organisationsstruktur der Kirche verantwortlich, in der „letztlich jeder Bischof selbst bestimmt, was in seinem Bistum passiert“.

Das Interview im Wortlaut: www.ksta.de/651935

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Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger, Newsdesk
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