Erpressung: Kommentar von Sascha Kircher zum Ja der Türkei zum Nato-Beitritt Schwedens

Nun hat also die Türkei nachgegeben und den Weg für Schweden in die Nato freigemacht. Hurra?

Mitnichten. Zwar scheint Wladimir Putins Kalkül, das westliche Verteidigungsbündnis zu seinen eigenen Gunsten zu spalten, vorerst nicht aufgegangen zu sein. Aber Vorsicht: Zunächst muss die Regierung in Ankara den Beschluss des Parlaments noch ratifizieren. Wer den türkischen Präsidenten und seine Vorliebe kennt, außenpolitische Entscheidungen per Münzwurf (oder nach innenpolitischen Egoismen) zu treffen, bleibt vorsichtig.

Wer weiß, vielleicht ist ihm morgen schon nach einer Verweigerung der Unterschrift, weil irgendwo ein Irrer einen Koran verbrennt?

Europa hat beim Flüchtlingsabkommen einschlägige Erfahrungen mit den gefürchteten Stimmungswechseln des Sultans vom Bosporus gemacht und dabei immer wieder Lehrgeld gezahlt. Außerdem darf nicht vergessen werden: Mit Ungarn muss ein weiterer notorischer Erpresser noch offiziell zustimmen. Es ist schlichtweg eine Zumutung, in Krisenzeiten wie diesen mit Hasardeuren wie Erdogan und Orban verhandeln zu müssen. Wenn dabei auf eines Verlass ist, dann dass diese Potentaten ohne Rücksicht auf Verluste den Preis für ihre Zustimmung hochtreiben. Und ihre Verhandlungspartner gar nicht anders können, als nachzugeben. Politik am Pokertisch. Pädagogischer Effekt: gleich Null. Wenn Erdogan aus der anderthalbjährigen Hängepartie etwas „gelernt“ hat, dann dies: Ich kann mir weiterhin alles erlauben – und anschließend meinen Landsleuten als Erfolg verkaufen. Während sich an der Seitenlinie mit Trump schon mal der nächste Hasardeur für eine erneute US-Präsidentschaft warmläuft.

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Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz, Zentraler Newsdesk
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Fotocredit: AdobeStock 507345276 / Brisystem

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