Sexkauf zu bestrafen, ist kein Weg – Gesellschaftliche Realität in Deutschland?

Pfarrerin Birgit Reiche / Evangelische Frauenhilfe: Sexkauf zu bestrafen, ist kein Weg – Gesellschaftliche Realität in Deutschland?

„Ein wie auch immer gestaltetes Verbot der Nachfrage und des Kaufs sexueller Dienstleistungen kann zwar ein Zeichen setzen, dass eine Gesellschaft dies mißbilligt“, stellt Pfarrerin Birgit Reiche fest und zitiert das Deutsche Institut für Menschenrechte dann weiter: „Es wird aber symbolisch bleiben und die Bedingungen, die Frauen vulnerabel machen für Ausbeutung und Gewalt in der Prostitution (Diskriminierung, Armut, Krankheit, Abhängigkeiten, Drogengebrauch etc.) nicht ändern. Daher ist es wichtig, dass die Politik vor allem diese Bedingungen thematisiert.“ Dies hatte das Institut bereits 2019 in seiner Stellungnahme zu Prostitution und Sexkaufverbot als Fazit gezogen. Die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen, deren Geschäftsführerin Birgit Reiche ist, verantwortet im Bereich Prostitution und Menschenhandel seit 1990 drei Beratungsstellen. Die Forderungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach Bestrafung des Sexkaufs lehnt der Frauenverband ab und fordert die CDU/CSU auf, von ihrem Antrag Sexkauf zu bestrafen, Abstand zu nehmen.

Am Montag, 23. September 2024, findet eine vom Familienausschuss des Deutschen Bundestags ausgerichtete Anhörung zum Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (BT-Drs. 20/10384) statt.

Die EFHiW stellt fest, dass Sexarbeit eine gesellschaftliche Realität in Deutschland ist. Sie ist Arbeit. Eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen kann nicht durch Kriminalisierung, sondern nur durch die Stärkung ihrer Rechte und die Bekämpfung von Stigmatisierung erreicht werden. Ein Sexkaufverbot verstärkt gesellschaftliche Stigmatisierung, anstatt sie abzubauen. Davon ist die EFHiW überzeugt.

Der Frauenverband setzt sich seit vielen Jahren für die Rechte und die Selbstbestimmung von Sexarbeitenden ein. Die EFHiW als Trägerin der Beratungsstellen TAMAR und THEODORA, unterstützt sie dabei ein unabhängiges (Berufs-)Leben zu führen. Die Beratungsstellen setzen sich für das Recht der Sexarbeitenden auf ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten ein. Somit liegt der Schwerpunkt der Beratungsarbeit darauf, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Stigmatisierung, Diskriminierung und gesellschaftliche Marginalisierung von Sexarbeitenden sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass diese ihre vorhandenen Rechte nicht wahrnehmen oder im Verborgenen arbeiten. Ein Verbot von Sexarbeit wird Sexarbeitenden aus marginalisierten Gruppen nicht helfen. Stattdessen sollte die Politik Maßnahmen ergreifen, die subsidiäre Hilfe bieten, wie den Ausbau von Fachberatungsstellen oder den leichteren Zugang zur Gesundheitsversorgung.

In der aktuellen politischen und medialen Debatte über die Prostitution und das Nordische Modell werden die Begriffe der Sexarbeit und der Zwangsprostitution vermischt. Dadurch wird ein legaler Arbeitsbereich pauschal in Zusammenhang gebracht mit dem verbrecherischen Menschenhandel.

Vorurteile oder die Nutzung von emotional aufgeladenen Biografien im öffentlichen Diskurs verhindern einen neutralen Blick auf die Sexarbeitenden-Debatte. Die EFHiW plädiert für einen sachlichen Diskurs über Sexarbeit und ihre Legitimität.

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Quelle: Manuela Schunk, Öffentlichkeits-, Verbands- und Bildungsreferentin, Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V.
Fotocredit: AdobeStock 126615710 / Brisystem

 

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